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Weibliche Anatomie – ohne Worte…

„Wenn Sie Ihren Körper sehen können, wie er ist, und nicht in der Bedeutung, die die gesellschaftliche Umgebung ihm zuschreibt, dann ist es viel leichter, mit Ihren Genitalien und dem Rest Ihrer Sexualität zu leben und sie zu lieben, genau wie sie sind.“

(Emily Nagoski)

weibliche Anatomie

Da unten, so außerhalb, eher dazwischen, an der Seite, drinnen irgendwie, weiter hinten oben,…

Also, wo jetzt genau? Und wie genau eigentlich?

Warum fällt es so vielen Frauen (ach, was sag ich – Menschen) so schwer, über ihre Genitalien zu sprechen? Warum können wir ganz selbstverständlich und ohne Probleme unser Gesicht beschreiben und über unsere Augen sprechen aber nicht über unsere Schamlippen? Ach klar – weil wir uns schämen. Nomen es Omen. Da Leben wir in einer aufgeklärten Gesellschaft und bedienen uns einer mittelalterlichen Sprache, als man davon ausging, die weiblichen Genitalien müssten aus dem Grunde wohl im Verborgenen liegen, weil Sie sich verstecken müssten – aus Scham. Da frag ich mich doch, warum wir uns nicht die guten alten Steintafeln zum Schreiben erhalten haben. Oder die Rechenschieber. Die waren doch auch super.

Wir werden nach wie vor zur Scham im Bezug auf unsere intimsten Körperzonen erzogen. „Da“ fasst man sich nicht an, „da“ verwendet man einen anderen Waschlappen, „da“ guckt man nicht hin… Hallo? „Da“ findet Sexualität statt, die angeblich schönste Sache der Welt. „Da“ entstehen Babies, „da“ liegt der Ursprung von uns allen. Es wird wirklich Zeit, sich von unsinnigen Vorstellungen, veralteten Überzeugungen und falschen Tatsachen zu verabschieden. Wirklich.

Aber es ist doch so, dass die weiblichen Genitalien versteckt sind und die männlichen nicht. Oder?

Nein. Emily Nagoski, eine amerikanische Sexualpädagogin beschreibt es in ihrem Buch „Komm wie du willst“ einfach, klar und super treffend: „Das weibliche Äquivalent zum Penis – die Klitoris – liegt vorn, genau an der gleichen Position wie der Penis. Sie fällt weniger auf, weil sie kleiner ist, aber sie ist nicht kleiner, weil sie schüchtern oder schamhaft wäre, sondern weil Frauen ihre DNA nicht vom Inneren ihrer eigenen Körper in das Innere anderer Körper transportieren müssen. Auch das weibliche Äquivalent zum Hodensack, die Scham(!)lippen, die äußeren Labien, befinden sich ziemlich am gleichen Ort wie der Hodensack, aber da die weiblichen Keimdrüsen (die Eierstöcke) innen liegen und nicht außen wie die Hoden, dehnen die Labien sich nicht so weit über den Körper hinaus aus und fallen weniger auf. Auch die Eierstöcke liegen nicht aufgrund von Scham im Inneren des Körpers, sondern weil Frauen schwanger werden.“ (S. 35ff.)

Jetzt da wir wissen, dass wir uns nicht mehr schämen müssen, geben wir unseren Genitalien endlich die Namen, die sie verdienen. Der Biologieunterricht leistet hier leider nach wie vor viel zu wenig Aufklärungsarbeit, die Mütter wussten es meist auch nicht besser und die Medien vermitteln uns eher selten ein vollständiges Bild, wenn es um die individuelle Vielfalt der weiblichen Anatomie geht.

Vulva oder Vagina und was eigentlich noch?

Eine erfüllte Sexualität ist kaum möglich, wenn die anatomischen Voraussetzungen gar nicht klar sind. Ich werde mich auch auf der Fahrerseite im Auto ziemlich unwohl fühlen, wenn ich das Gaspedal nicht finde, mir die Funktion des Schalthebels nicht klar ist und ich die Lenkradsperre nicht lösen kann. Wahrscheinlich werde ich frustriert wieder aussteigen und den Bus nehmen… Leuchtet ein, oder?

Die Vulva umfasst alles, was Sie vor dem Spiegel stehend (mit ein paar ausgeklügelten Posen) sehen können. Den (zumindest natürlich) behaarten Venushügel, also das hübsche Dreieck über dem Scham(!)bein (wir werden es wohl nicht ganz los), die äußeren Labien, darin eingebettet die inneren Labien, die Harnröhrenöffnung und die Eichel der Klitoris.

Unsere Genitalien, also die weiblichen und die männlichen bestehen bis zur 6./7. Schwangerschaftswoche aus den gleichen Basiselementen. Der Zufall, das Schicksal oder eben die Hormone bestimmen letztendlich ob sich Penis, Hoden und Hodensack herausbilden oder eben Klitoris, Eierstöcke und Labien.

Bei der Frau bildet die gesamte Klitoris einen Schaft mit der sichtbaren Klitorisspitze und lange, dem inneren Schambein folgende Schenkel, die im Körperinneren nach beiden Seiten ragen. Die gesamte Klitoris kann bis zu zehn Zentimeter lang sein (nichts mit „erbsengroßes Knöpfchen“). Schaft und Schenkel können mit den Fingern ertastet werden. Aus den Geschlechtsfalten bilden sich beim weiblichen Fetus die inneren Lippen. Die Genitalwülste entwickeln sich zu den äußeren Lippen. Die Prostata entwickelt sich am Ende der 10. Schwangerschaftswoche beim männlichen und weiblichen Fetus in gleicher Bauweise aus den Epithelknospen in der Wand der Harnröhre. (vgl. Zur Nieden 2004, S. 24) Sind wir doch gar nicht so unterschiedlich, wie wir dachten…

Jetzt haben wir uns dem Eingang zur Vagina genähert. Relativ nah am Eingang (am Hinterrand des Vorhofschwellkörpers des Scheidenvorhofs) liegt die Bartholindrüse. Sie ist wichtig, denn ihr Job ist es, für Feuchtigkeit zu sorgen – z.B. damit der Penis leichter in die Vagina „gleiten“ kann. Die Vagina ist ein muskulöser Schlauch, der direkt zur Gebärmutter führt. Die G-Zone (richtig, kein Punkt), liegt  in der vorderen Vaginalwand, entlang der Harnröhre. Sie kann bei sexueller Erregung anschwellen und mit ihr wird auch die weibliche Ejakulation in Verbindung gebracht. In diesem Bereich liegen nämlich auch die Skene-Drüsen, welche ein Sekret produzieren, das über die Harnröhre abgesondert wird und als weibliches Ejakulat definiert wird. Manche Frauen kennen das, manche nicht. Alles in Ordnung, alles normal. Wirklich.

Erfreuen wir uns doch an unserer Vulva

Es ist äußerst lohnend, sich mit den eigenen Genitalien und ihrer Funktionsweise zu beschäftigen. Denn dann fällt auf, dass nichts überflüssig ist, alles seinen Platz hat und die weibliche Anatomie ein einzigartig ausgeklügeltes System ist, das natürlich dem Wunder dient, Leben zu schenken und eben auch in Gänze sexuelle Erfahrungen ermöglichen kann, die weit über „der erigierte Penis dringt in die Scheide ein“ (vgl. Biologie 8. Klasse) hinausgehen. Und Gott sei Dank schreiben wir nicht mehr auf Steintafeln, sondern können nach Lust und Laune Google befragen, um uns die Informationen zu holen, die unser Bild von uns selbst und unserem Körper vervollständigen. Denn wie unser Gesicht, dass wir tagtäglich im Spiegel sehen, ist auch jede Vulva anders, individuell schön, man könnte sagen, das intime Gesicht der Frau. Das könnten wir ruhig auch öfter im Spiegel betrachten. Und uns freuen. Und ihr zulächeln.

Autor:

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Bea

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